Die Geschichte der VHS-Kassette – Aufstieg und Fall eines Heimkino-Pioniers
Die VHS-Kassette war über zwei Jahrzehnte lang der Inbegriff von Heimkino. Ob selbst aufgenommene Fernsehsendungen, Familienvideos oder ausgeliehene Filme aus der Videothek – das „Video Home System“, kurz VHS, prägte eine ganze Generation. Doch woher kam dieses Format eigentlich, und warum verschwand es irgendwann so still aus unseren Wohnzimmern?
Die Geburt der VHS
Ende der 1970er Jahre begann der japanische Elektronikkonzern JVC (Victor Company of Japan) mit der Entwicklung eines neuen
Heimvideo-Standards. Ziel war ein erschwingliches, einfach zu bedienendes System für den Massenmarkt.
1976 stellte JVC schließlich das VHS-Format vor – als direkten Konkurrenten zum bereits etablierten Betamax-Format von Sony.
Der entscheidende Vorteil: VHS-Kassetten boten längere Aufnahmezeiten (anfangs 2, später bis zu 6 Stunden) und waren oft günstiger in
der Produktion.
Der Formatkrieg: VHS vs. Betamax
Was folgte, war ein echter Medienkrieg. Während das 1975 eingeführte Betamax von Sony in technischer Hinsicht Vorteile bot – darunter
eine leicht bessere Bildqualität – konnte VHS durch eine längere Aufnahmezeit und offenere Lizenzvergabe punkten.
JVC lizenzierte das VHS-Format früh an andere Hersteller wie Panasonic, Hitachi und Sharp. Das sorgte für eine schnellere
Marktdurchdringung und sinkende Preise. Auch Videotheken bevorzugten VHS, da längere Filme ohne Unterbrechung abgespielt werden
konnten.
Bis 1987 hatte VHS den Heimvideomarkt deutlich erobert. Sony stellte erst im Jahr 2002 die Herstellung von Betamax-Rekordern
ein – ein symbolisches Ende des sogenannten „Formatkriegs“.
VHS und die Blütezeit der Videotheken
In den 1980er und 1990er Jahren erlebte die VHS-Kassette ihren kulturellen Höhepunkt. Videotheken schossen wie Pilze aus dem Boden, das abendliche Stöbern nach einem Film wurde zum Ritual. Auch die Erotik- und Horrorfilmbranche profitierte enorm von der Heimkino-Revolution – mit teils legendären VHS-Covern, die heute Sammlerstücke sind.
Der langsame Abschied
Mit der Einführung der DVD im Jahr 1996 begann das langsame Ende der VHS-Ära. Die Vorteile der DVD – bessere Bildqualität,
Kapitelwahl, keine Spulzeiten – überzeugten zunehmend die Verbraucher. Große Studios stellten ab 2005 sukzessive die
Veröffentlichung auf VHS ein.
Die letzte große Hollywood-Produktion, die offiziell auf VHS erschien, war „A History of Violence“ (2006).
Die VHS-Kassette war weit mehr als nur ein technisches Format – sie war ein kulturelles Phänomen. Ihre einfache Bedienung und Verfügbarkeit machten sie zum Tor in eine neue Welt des Medienkonsums. Auch wenn sie heute vom Markt verschwunden ist, lebt ihre Ära in Erinnerungen und Sammlungen weiter.
[1] JVC – „The History of VHS“ https://www.jvc.com
[2] Slade, Giles: Made to Break: Technology and Obsolescence in America. Harvard University Press, 2006.
[3] Lotz, Amanda D. The Television Will Be Revolutionized. NYU Press, 2007.
[4] Time Magazine (2009): VHS vs. Betamax: How Sony Lost the Original Video Format War.
[5] Wired Magazine (2006): The Last Days of VHS
[6] The Guardian (2005): VHS is Dead. Long Live the DVD.